Buchautorin Susanne Schmidt: „Wann haben Sie angefangen,   Ihr eigenes Leben zu führen?“ (2024)

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Buchautorin Susanne Schmidt„Wann haben Sie angefangen,   Ihr eigenes Leben zu führen?“

04.11.2012 - 09:13 Uhr

Buchautorin Susanne Schmidt: „Wann haben Sie angefangen,   Ihr eigenes Leben zu führen?“ (2)

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      Noch immer wollen alle von ihr wissen, wie es war, damals, als ihr Vater als Bundeskanzler die Republik regierte. Dabei hätte Susanne Schmidt viel mehr zu erzählen. Stefanie Zenke ist der Ökonomin und Buchautorin begegnet.

      Stefanie Zenke

      04.11.2012 - 09:13 Uhr

      Frankfurt/Main - Sie ist pünktlich. 10 Uhr, Rezeption Hotel Steigenberger in Frankfurt. Eine zierliche Frau, aufrechter Gang, akkurat gekämmtes, kurzes, blondes Haar, ein höfliches Lächeln. Ein Tisch in einer Ecke der Lobby, eine Tasse Kaffee, los geht‘s. Susanne Schmidt ist wegen ihres neuen Buches nach Deutschland gekommen, „Das Gesetz der Krise“, in dem sie die teils verstörenden Mechanismen des Bankensystems erläutert und scharfzüngig kritisiert. Darüber spricht sie am liebsten: Sie war deswegen auf der Buchmesse, nun ist sie auf Lesereise. Sie ist nicht der Typ, der ständig durch Talkshows tourt, über Persönliches spricht sie in der Öffentlichkeit wenig. „Ach“, sagt Schmidt und winkt ab, „ist das so spannend?“ Ja.

      Susanne Schmidt ist bescheiden. Dabei hat die Frau viel Wissenswertes zu erzählen: promovierte Volkswirtin, jahrzehntelange Tätigkeit für internationale Banken in London, Moderatorin beim Börsensender Bloomberg-TV, Autorin von Büchern und Artikeln. Für ihr erstes Buch „Markt ohne Moral“, das wochenlang auf den Bestseller-Listen stand, erhielt sie den deutschen Wirtschaftspreis. Susanne Schmidt hat sich in Deutschland einen Namen gemacht, aus eigener Kraft.

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      Fragen nach den Eltern weicht sie nicht aus

      Sie sitzt kerzengerade, die Hände neben der Tasse Kaffee gefaltet, den Blick hinter einer orangefarbenen Brille fest auf ihr Gegenüber gerichtet. Natürlich rechnet sie mit den Fragen, die in jedem Interview gestellt werden, die mit ihrem berühmten Vater, ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter zu tun haben. Fragen, denen Susanne Schmidt nicht ausweicht, die sie stoisch beantwortet. Denn ihr Vater ist Altbundeskanzler Helmut Schmidt, ihre Mutter Loki Schmidt. „Ich bin jetzt 65 Jahre alt, und die Leute interessiert das immer noch. Aber das ist in Ordnung so.“

      Welche Bürde es bedeutet, die Tochter von berühmten Eltern zu sein, erfährt sie 1979. Susanne Schmidt, Anfang 30, hat gerade bei der Deutschen Bank in Hamburg angefangen. Es ist die Hochzeit des Terrorismus, nicht nur ihr Vater wird von den Terroristen der Rote-Armee-Fraktion (RAF) bedroht, auch ihre Mutter und sie selbst. Susanne Schmidt bekommt Personenschutz. „Ich hatte vier Leibwächter, die waren zwar alle sehr nett, aber mein Leben verlief sehr eingeschränkt.“ Wollte sie Freunde besuchen, waren die Männer dabei. Ein Kinobesuch? Nur in Begleitung. Ein kontrolliertes Leben, eigentlich unzumutbar. Doch der Gedanke, wie es ohne einen Vater wäre, der deutscher Bundeskanzler ist, erschien der damals jungen Frau müßig. „So war es nun einmal. Ich musste mich damit arrangieren.“ Von jetzt auf gleich, erinnert sie sich, hieß es aus dem Bundeskriminalamt: „Sie können nicht mehr in einem öffentlich zugänglichen Gebäude arbeiten.“ Sie selbst war es, die darum bat, für die Deutsche Bank ins Ausland gehen zu dürfen. Kurze Zeit später verlässt sie ihre Heimat, ein halbes Leben ist das her.

      Karriere in Londoner Bankhäusern

      In Großbritannien ist die RAF weit weg, die Engländer interessiert es nicht, dass die Tochter des amtierenden deutschen Bundeskanzlers unter ihnen weilt. Susanne Schmidt darf wieder ein eigenständiges Leben führen. „Ein ganz neues Gefühl, und ein sehr angenehmes.“ Schnell klettert sie die Karriereleiter empor. Heute blickt sie auf 20 Jahre in leitender Position für internationale Bankhäuser in London zurück.

      Dann erwischt auch sie die Bankenkrise hart, Schmidt wird von einer Kündigungswelle erfasst. Auch heute noch erzählt sie völlig emotionslos über diese Zeit: „Die Leute in Großbritannien sind darauf eingestellt. Wenn man seinen Job verliert, sucht man sich den nächsten. Man muss schnell sein, lange Kündigungsfristen oder eine gute soziale Absicherung wie in Deutschland gibt es nicht.“ Also tummelt sie sich, heuert beim Börsensender Bloomberg-TV an, wo sie zehn Jahre lang als Moderatorin und Kommentatorin arbeitet. Dann schreibt sie ihr erstes Buch.

      Wenn es um Hamburg geht, blitzen die Augen kurz auf

      Rückblickend ist Schmidt froh, dass ihre Jobwechsel nahtlos funktionierten. „Ich hatte schon gemerkt, dass es in meinem Alter schwierig ist, etwas Neues zu finden.“ Wie hart umkämpft die Jobs auf dem britischen Arbeitsmarkt geblieben sind, hat sie hautnah an den drei Kindern ihres Mannes gesehen. Zwei Jungen, ein Mädchen, sie leben in ihrer Nähe, der Grafschaft Kent. „Toi, toi, toi. Zum Glück haben alle einen Job.“ Die Grafschaft Kent, das zu Hause von Susanne Schmidt: ein altes Fachwerkhäuschen, umgeben von Schafweiden, 80 Kilometer südöstlich von London. Dort wohnt sie mit ihrem Mann, dem Iren Brian Kennedy. Zwei Hunde, ein Garten „zum puss*ln“, damit vertreibt Schmidt sich zu Hause die Zeit, die bleibt. Sonst ist sie unterwegs, hält Vorträge über die Krise.

      Auch in Hamburg, ihrer Geburtsstadt, ist sie oft zu Besuch, bei ihrem Vater natürlich, aber auch zu besonderen Anlässen. Wie neulich, als sie gemeinsam mit ihm an der Einweihung der Loki-Schmidt-Schule teilnahm. Als es um Hamburg geht, blitzt es kurz in Susanne Schmidts Augen auf. Mit fester Stimme sagt sie: „Da geht mir das Herz auf, ganz klar.“ Sie liebt die Elbe, den Blick, „und den modrigen Geruch am Strand, wenn es gerade nach Teer oder Öl riecht.“

      Das Gefühl von echter Heimat, das bekommt die Finanzexpertin allerdings an einem anderen Ort. Dort, wo die Zeit stillzustehen scheint, dort, wo man im Winter Schlittschuh fahren und im Sommer laue Nächte am Ufer genießen kann. Der Brahmsee, erzählt Schmidt mit nun leuchtenden Augen, ja, sie wird sogar ein wenig euphorisch, das ist auch heute für sie noch ein Stück Heimat. Hier, im eigenen Häuschen in Schleswig-Holstein, verbrachte die Familie Schmidt jede Ferien. „Dieses Haus meiner Eltern“, sagt sie, „werde ich immer behalten.“ Eine Rückkehr nach Deutschland komme nicht infrage. „Mein Leben ist in Großbritannien, bei meiner Familie.“

      Die Zeit ist rum, Susanne Schmidt muss los. Zum nächsten Vortrag. Es wird um ihr neues Buch gehen. Darüber spricht sie am liebsten.

      Susanne Schmidt und „Das Gesetz der Krise“

      In ihrem Buch „Das Gesetz der Krise – Wie die Banken die Politik regieren“ sagt die Volkswirtin Susanne Schmidt, das Banken- und Finanzwesen, müsse viel stringenter als bisher reguliert werden. Die Sparprogramme seien richtig, aber parallel dazu brauchte es Wachstumsförderung, etwa durch die Umwidmung bestehender EU-Töpfe.
      Das Demokratiedefizit in EU und Währungsunion müsse angegangen, Europa den Bürgern nähergebracht werden. Nationale Regierungen und Parteien seien jetzt gefragt. (Verlag Droemer, München. 239 Seiten, 19,99 Euro.)

      Buchautorin Susanne Schmidt: „Wann haben Sie angefangen,   Ihr eigenes Leben zu führen?“ (2024)

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